Vor Jahren bekam ich zusammen mit meinem Team den Auftrag, eine Patientin mit der Diagnose Brustkrebs zu übernehmen. Beide Brüste waren amputiert, so die Vorinformation. Am nächsten Tag fuhr ich zur genannten Adresse. Der Mann der Patientin öffnete mir die Tür und wir gingen sofort nach oben zu seiner Frau. Beide waren sehr sympathisch und wir verstanden uns auf Anhieb sehr gut. Nach einer kurzen Begrüßung zeigte mir die Frau die Stellen der Amputation, wo, wie ihr Mann sagte, vor ein paar Tagen noch schöne Brüste waren. Am Anfang sah ich nicht viel, da die Stellen mit Küchenrollen-Papier bedeckt waren. Nach kurzer Überlegung wollte ich das Papier abnehmen, aber die Frau bat mich, es nicht zu tun, da der Arzt angeordnet hatte, nur die obere Schicht zu entfernen. Bei vollständiger Abnahme der Papierschichten drohe sie zu verbluten. Auch im Krankenhaus sei das so versorgt worden. Nach ca. einer Woche aber waren die Stellen so blutig und eitrig, dass sie mir doch erlaubte das Papier zu entfernen und die Stellen zu reinigen. Es hatte sich auch ein unangenehmer Geruch gebildet. Nach dem Entfernen des Papiers begannen die Wunden tatsächlich so heftig zu bluten, dass wir alle Angst bekamen. Mit Hilfe des Mannes konnte ich die Blutung allerdings stoppen. Während meiner Besuche bemerkte ich, dass der Mann immer in die Garage ging, den Motor seines Audi Oldtimers startete und einige Zeit laufen ließ. Immer wenn die Frau das Geräusch des Motors hörte, war sie sehr glücklich, denn sie hatte die Fahrten in dem Auto geliebt und erinnerte sich sehr gerne daran. Nach ein paar Wochen bat sie mich, um 14 Uhr zum Kaffee zu kommen, da wir ein sehr gutes Verhältnis aufgebaut hatten. Ich sagte zu, obwohl wir das sonst nicht tun, aber in diesem Fall spürte ich, dass es für die Frau ganz besonders wichtig war. Ich kam um 14 Uhr wie vereinbart zum Kaffee, sie freute sich sehr. Beim Kaffee unterhielten wir uns und lachten viel. Danach bat sie mich, mit ihr zu beten. Wir sprachen das Vater unser. Sie bat ihren Mann noch, den Schrank zu öffnen und mir für jede Caritas-Schwester, die bei ihr war, eines ihrer Abendkleider zu geben. Er sollte an jedes Kleid einen Zettel mit dem Namen der Schwester schreiben, für die sie es aussuchte. Und ich sollte sie abgeben, was ich auch tat. Zum Schluss bedankte sie sich noch herzlich für unsere Arbeit und umarmte mich. Zu ihrem Mann sagte sie: "Und du, küss mich ganz fest." Und er küsste sie mit sehr viel Gefühl. "Das war der letzte Kuss", sagte sie noch und in diesem Moment war alles vorbei, sie schlief ein. Danach wollte der Mann alleine sein. Er hatte schon gespürt, dass seine Frau gehen würde. Seinen Oldtimer schenkte er später dem Audi Museum. Nur wenige Monate nach seiner Frau starb auch er. Ich denke sehr oft an dieses Paar. In meiner mehr als 20-jährigen Tätigkeit in der Sozialstation hörte ich den Satz: "Danke, dass es euch gibt" immer wieder und freue mich immer ihn zu hören. Ich empfinde diese Arbeit als wunderschön und bereichernd, ich bin dankbar, diese Arbeit tun zu können, auch wenn es manchmal schwierig ist. Danke. Mitarbeiterin (63 Jahre)
In über 30 Jahre Caritas-Sammeln habe ich viel Negatives und sehr viel Positives erlebt und erfahren. Über Negatives - da muss man hinwegschauen. Es gab auch welche, die von vornherein schon gesagt haben: "Da geb ich nichts her". Da gehe ich auch nicht mehr hin. Die Leute muss man halt nehmen, wie sie sind. Bei den meisten werde ich freundlich erwartet. Mit meiner langen Erfahrung weiß man schon, wie man empfangen wird. An ein Erlebnis denke ich oft zurück: Vor zirka zwei Jahren kam ich zu einer Frau (90 Jahre) und sagte zu ihr: "Jetzt bekommen wir wieder einen neuen Pfarrer, da möchte ich das Caritas-Sammeln aufgeben!" Da sagte sie zu mir: "Das darfst du dem Pfarrer nicht antun, da muss er sich ja wieder nach einem anderen umschauen. Es ist nicht so einfach, gleich wieder einen zu finden." Jetzt mach ich halt wieder so weiter, es ist ja auch schön, wenn man zu den Leuten kommt. Da gibt’s auch manchmal was zu lachen oder man erfährt was Neues. Wenn es die Gesundheit erlaubt, gehe ich noch einige Jahre sammeln. Sammlerin (71 Jahre)
Meinen besonderen "Caritas-Moment" habe ich bei meinem Vorstellungsgespräch im Jahr 2006 erleben dürfen. Der damalige Caritasdirektor fragte mich danach, was der christliche Glaube für mich persönlich bedeute. Zunächst war ich irritiert: "Weiß er denn nicht, dass ich nicht nur Diplom-Psychologe bin, sondern auch als Privatdozent für Pastoraltheologie und Pastoralpsychologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Regensburg lehre?" Doch, das wisse er, so der Caritasdirektor, nachdem ich ihn höflich darauf hingewiesen hatte, und dies habe auch seine volle Anerkennung, aber er wolle dennoch mit mir über meinen Glauben sprechen. Dann entwickelte sich ein bewegendes theologisches Gespräch, bei dem ich deutlich machen konnte, warum mir der christliche Glaube am Herzen liegt: Weil er eine helfende Antwort auf Tod und Trauer gibt, die sich der Mensch niemals selbst geben kann, denn bei Licht betrachtet sind wir alle in der ausweglosen Situation, wie sie Petrus im Johannesevangelium beschreibt: Nachdem viele Jünger Jesus verlassen hatten, stellte dieser, so heißt es dort, den "Zwölf" die Frage: ,,Wollt auch ihr weggehen?" (Johannes 6,67), worauf Petrus antwortete: ,,Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens" (Johannes 6,68). Der Caritasdirektor und ich kamen dann zu sprechen auf die überzeitliche Bedeutung dieser Einsicht: Das Leben endet unweigerliche in Tod und Trauer. Ohne Gott und den Glauben an die Auferstehung gibt es keine Hoffnung. Am Ende des Gesprächs war ich davon überzeugt: Bei der Caritas hat der christliche Glaube eine wirkliche, existentielle Bedeutung; ich würde mich freuen, wenn ich hier meinen Platz finden könnte. Mitarbeiter (52 Jahre)
Ich bin im Jahr 2001 ins Seniorenheim in Nürnberg-Altenfurt gekommen und habe in der wöchentlichen Gymnastikgruppe mitgeholfen. Leitung und Unterstützung wurden von ehrenamtlichen Mitarbeitern geleistet. Fast jedes Mal kam auch der damalige Heimleiter vorbei. Er bedankte sich bei jedem Einzelnen von uns Ehrenamtlichen und lobte unsere wertvolle Arbeit. Einen Satz werde ich nie vergessen: "Was ihr hier macht für die alten Leute, das ist Gottesdienst am Menschen!" Ehrenamtliche